Entwicklung von Apfel-Wuchsformen im Erwerbsanbau

Die kolumnare Wuchsform beim Apfel wurde in den späten 1950er, Beginn der 1960er Jahre in Kanada bei der Apfelsorte ´McIntosh´ und als Mutante oder Klon nach seinem Entdecker ´McIntosh Wijcick´ genannt. Das genaue Jahr der Entdeckung ist etwas unklar, aber das große Interesse in jener Zeit an so genannten Spurtypen, d.h. schlank wachsende Typen, sorgte dafür, dass dieser Klon weiter vermehrt und in der Züchtung eingesetzt wurde. Es ist eine Spontanmutation und damit eine natürlich entstandene Baumform. Alle heute bekannten Klone/ Sorten sind durch traditionelle Kreuzungszüchtung aus dem Klon ´Wijcick´ hervorgegangen. Säulenbäume oder kolumnare Apfelsorten zeichnen sich durch sehr frühen Triebabschluss der Seitentriebe, sehr kurze Seitentriebe, hohe und frühe Blütenknospenbildung an den Seitentrieben und sehr kurze Internodien aus.
Grundsätzlich bietet diese Wuchsform die Möglichkeit der Arbeitszeitersparnis, da der Winterschnitt zum großen Teil entfällt und die Ernte deutlich effektiver werden kann.

Eine erste aus der Züchtung entstandene Reihe waren die so genannten „Ballerina“ Sorten, die aus East Malling in England gekommen sind. Diese sind aber sehr krankheitsanfällig, weisen eine nicht besonders gute Fruchtqualität auf und finden darum geringen Anklang. Auf Basis dieser Bäume wird an vielen Orten auf der Welt weiter gezüchtet. In Geisenheim besteht seit dem Beginn der 1990er Jahre ein intensives Züchtungsprogramm, welches auch weitergeführt wird. Gekreuzt und selektiert wird mit dem Ziel, für den Erwerb geeignete Sorten zu finden. Dabei werden zwei Richtungen verfolgt. Die eine zielt auf Sorten für den Tafelobstanbau, die andere auf Sorten für die Mostobstproduktion. Die wesentlichen Zuchtziele sind dabei:

-       Fruchtqualität
-       loses Blattlaub und ausreichend Blattfläche am Kurztrieb
-       langer Fruchtstiel
-       selbst vereinzelnd
-       Resistenz (vor allem gegen Obstbaumkrebs)
-       geeignet für eine maschinelle Ernte

Die Marktanforderungen an die Fruchtqualität sind inzwischen sehr hoch und reichen neben einem sehr guten Geschmack, hoher Saftigkeit und attraktiven Aussehen (beliebt sind vor allem Sorten mit einem hohen roten Farbanteil in der Schale) auch die Lagerfähigkeit und die Beibehaltung der Fruchtqualität über die gesamte Lagerungs- und Vermarktungskette. Diese Anforderungen kann man als selbstverständlich bezeichnen.

Das lose Blattlaub, d.h. ein offenerer Baum, ist nötig, um Rückzugsgebiete für Schaderreger am Baum zu verhindern und einen effektiven Pflanzenschutz zu gewährleisten. Die Kurztriebe mit den Blütenknospen müssen so sein, dass die an den ersten Internodien befindlichen Blätter gut wachsen und über diese eine hohe Blattfläche zusammenkommt. Diese Blätter sind entscheidend für die Versorgung der Früchte.

Der lange Fruchtstiel ist ein spezielles Selektionskriterium, da es bei kurzem Fruchtstiel bei mehreren Früchten an einem Fruchtstand zum frühzeitigen Abdrücken der Früchte kommt. Die kolumnare Wuchsform bedingt, dass viele Kreuzungen einen zu kurzen Fruchtstiel aufweisen. Deshalb muss dies besonders beachtet werden.

Der sehr frühe Triebabschluss der kolumnaren Sorten bedingt eine sehr hohe Blütenqualität, die wiederum dazu führt, dass die einzelnen Blüten in einem Blütenstand oft gleichwertig sind und es damit bei guter Befruchtung zu sehr vielen Früchten in einem Blütenstand kommt. Diese führen zu einer sehr hohen Konkurrenzkraft gegenüber dem Triebwachstum und zur Erschöpfung der Kohlenhydratreserven nahe den Früchten. Dies wiederum verhindert eine erneute Blütenknospenbildung in diesem Stammabschnitt und begründet die extrem hohe Alternanzneigung vieler Selektionen und Sorten. Es gibt aber auch Selektionen, die in einem Blütenstand selbst vereinzeln, d.h. es entwickeln sich maximal 1 – 2 Früchte aus einem Blütenstand.

Der Resistenzzüchtung kommt ebenfalls eine sehr große Bedeutung zu. Hier selektieren wir in erster Linie an einer hohen Toleranz gegen Schorf und Mehltau. Besonders wichtig ist eine hohe Toleranz oder sogar Resistenz gegen Obstbaumkrebs (Neonectria ditissima), da dieser bei kolumnaren Sorten auch gerne mal die Terminalknospe befällt. Das ist bei kolumnaren Sorten besonders kritisch.

Vor allem in der Entwicklung von Mostobstsorten ist auch die Möglichkeit für eine maschinelle Ernte mit zu beachten. Die genauen Anforderungen an den Baum sind da noch unklar und werden zurzeit in Zusammenarbeit mit Herstellern entsprechender Erntetechnik getestet und definiert.

In Geisenheim wurde eine Serie entwickelt -die sogenannte „Proficats“ Serie. CATS ist dabei ein eingetragenes Markenzeichen der Hochschule Geisenheim und steht für „Columnar Apple Tree System“. Die Proficats-Serie besteht zurzeit aus fünf Sorten und ist für den Tafelobstmarkt geeignet.  Weiterhin wird in enger Zusammenarbeit mit der Furchtsaftindustrie an Kreuzungen zur Selektion von hochwertigen Mostobstsorten gearbeitet, damit standortnah zu den Fruchtsaftbetrieben eine regionale Produktion erreicht werden kann. Insgesamt sind in Europa momentan etwa 20 ha Versuchsanlagen mit Geisenheimer Sorten aufgepflanzt.

Aktuell sind neben der Verbesserung der Fruchtqualität vor allem die hohe Toleranz gegenüber Obstbaumkrebs und die frühe Selektion anbautechnisch effektiver Wuchsformen im Fokus der Züchtungsarbeiten.

Autor: Prof. Dr. Peter Braun, Hochschule Geisenheim University, Institut für Obstbau

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