Weintourismus

Weintourismus: Aktuelle Forschung mit Transfer in Bildung und Praxis

Die Forschung zum Thema Weintourismus ist an der Hochschule Geisenheim am Institut für Wein- und Getränkewirtschaft angesiedelt. In verschiedenen Projekten und Studien analysieren Geisenheimer Forschende den nationalen und internationalen Weintourismussektor, identifizieren Erfolgsfaktoren und formulieren Handlungsempfehlungen für die Praxis. Ziel dieser Seite ist es, getreu zu dem Motto „Forschung, Bildung, Praxis“, aktuelle Ergebnisse von Studien sowie Neuigkeiten im Bereich Weintourismus mit der Praxis und mit Studierenden zu teilen. Letztere können sich im Modul „Weintourismus“ der Bachelor-Studiengänge Internationale Weinwirtschaft, Weinbau und Oenologie sowie Getränketechnologie intensiver mit den Strukturen des Weintourismus und den Grundlagen der Tourismusökonomie auseinandersetzen. Im berufsbegleitenden MBA-Fernstudium Management in der Weinwirtschaft bearbeiten die Studierenden das Thema im Modul „Veranstaltungs- und Tourismusmanagement“.

Auf dieser Seite haben wir für Sie

zusammengestellt.

Titelbild © Woody T. Herner


Basiswissen Weintourismus

In ihrem Kompendium „Sustainable and innovative wine tourism – Success models from all around the world“ stellen Prof. Dr. Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung an der Hochschule Geisenheim, und Prof. Raúl Compés López von der Technischen Universität von Valencia den Status Quo des Weintourismus weltweit dar. Das sowohl für Akademikerinnen und Akademiker als auch für Praktikerinnen und Praktiker verfasste Buch beschreibt die Situation und Entwicklung des Weintourismus in 15 Ländern und steht zum kostenfreien Download zur Verfügung.


Weintourismus in den 13 deutschen Anbaugebieten

Das Deutsche Weininstitut (DWI) und die Hochschule Geisenheim haben vor der Corona-Pandemie und mit Unterstützung aller 13 Gebietsweinwerbungen die wirtschaftliche Bedeutung des Weintourismus in Deutschland wissenschaftlich untersucht. Danach reisen damals jährlich 50 Millionen Menschen primär wegen des Weines in die deutschen Weinregionen und geben dort 5,5 Milliarden Euro aus. Damit war das Einkommen von rund 86.000 Menschen in den 13 Anbaugebieten zu diesem Zeitpunkt direkt vom Weintourismus abhängig.


Wohnmobiltourismus in deutschen Weinregionen

Die Verbindung von Weinbranche und Caravaningtourismus scheint auf den ersten Blick eher ungewöhnlich. Doch nicht wenige Weingüter bieten bereits Wohnmobilstellplätze an und erschließen damit ein neues Geschäftsfeld, das in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt von großer Bedeutung ist. Um diese Verbindung zwischen beiden Bereichen zu untersuchen, kooperieren das Institut für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim und der Caravaning Industrie Verband e. V. offiziell.

Die erste gemeinsame Studie untersuchte das Angebot an Stellplätzen, das von Weingütern zur Verfügung gestellt wird; beide Partner wollen im nächsten Schritt auf dieser Basis sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite mit quantitativen Methoden analysieren, um die Ergebnisse der ersten Studie zu bestätigen und gleichzeitig die Caravaning-Reisenden detailliert beschreiben zu können. Ziel ist auch, Weingütern die vielfältigen Nutzungs- und Vermarktungsmöglichkeiten aufzuzeigen und konkrete praxisnahe Hinweise für die Erschließung von Stellplätzen zu erarbeiten.

Zusammenfassung der Studienergebnisse

Weintourismus hat viele spannende Facetten – und eine von ihnen hat in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen: Stellplätze für Reisemobil-Touristen. Dies belegen zwei aktuelle Studien der Hochschule Geisenheim und des Caravaning Industrie Verbands e. V.. 

Gäste mit attraktiven Angeboten zur Besichtigung des eigenen Weinguts zu locken, ist keine einfache Aufgabe für Winzerinnen und Winzer; insbesondere, wenn sie nicht die klassischen Weinliebhaber:innen ansprechen wollen. Einen zusätzlichen Weg, der eine neue Zielgruppen anspricht, haben Weingüter durch das Anbieten von Stellplätzen für Wohnmobiltouristen gefunden. Seit der Corona-19-Pandemie steigt die Anzahl der Weingüter rasant, die neben ihrem alltäglichen Geschäft auch diese Unterkunftsmöglichkeit anbieten.

Um die Situation des Reisemobil-Tourismus in Weinbauregionen zu analysieren, führte die Hochschule Geisenheim in Zusammenarbeit mit dem Caravaning Industrie Verband e. V. (CIVD) zwei Studien durch. An der ersten Studie, die sich auf die Anbieter konzentrierte, nahmen 600 Weingüter teil. Von den befragten Weingütern bieten insgesamt 23 Prozent Stellplätze an, die meisten davon einen bis drei Stellplätze. Interessant ist, dass sich unter den Anbietern deutlich mehr größere Weingüter mit einer Fläche von über 20 Hektar befinden.

Die Investitionen für einen Stellplatz variieren je nach Ausstattung und liegen zwischen 500 und 5.000 Euro. Fast die Hälfte der befragten Betriebe bieten erst seit 2020 oder später Stellplätze an. Mit Blick auf die Preisspanne zeigt sich, dass die meisten Weingüter eine Pauschale zwischen 4 und 35 Euro pro Stellplatz/Nacht verlangen. Als Vorteile wurden von den Stellplatzanbietern neben der Umsatzsteigerung unter anderem die Neukundengewinnung und die Erhöhung des Bekanntheitsgrades genannt, als Nachteil vor allem der höhere Zeitaufwand. Mehr als 40 Prozent der Weingüter, die momentan keinen Stellplatz haben, planen fest oder können sich vorstellen, in Zukunft Stellplätze anzubieten.

In der zweiten Studie wurden 800 Reisemobil-Touristinnen und -Touristen in allen 13 deutschen Weinanbaugebieten befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem Reisemobilisten aus Nordrhein-Westfalen (18 %), Baden-Württemberg (16 %), Hessen (12 %), Rheinland-Pfalz (11 %) und Bayern (9 %) Weinregionen besuchen. Insgesamt 17 % der befragten Reisemobilisten in deutschen Anbaugebieten kommen aus dem Ausland; Spitzenreiter unter den internationalen Gästen sind die Niederländer mit einem Anteil von fast 70 %.

Reisemobil-Touristinnen und -Touristen, die Weinanbaugebiete besuchen, zeichnen sich durch einen höheren Weinkonsum und höheres Involvement in Wein aus. Etwa drei Viertel der Befragten wussten, dass sie eine Weinregion besuchen, und für etwa 40 Prozent aller Gäste war Wein ein Entscheidungskriterium bei der Wahl der Destination. Auch das Wissen darum, dass Weingüter Stellplätze für Reisemobile anbieten, ist mit 64 % recht hoch und beinahe die Hälfte der Befragten könnte sich vorstellen, solche Stellplätze zu nutzen. Laut der Erhebung kaufen dreiviertel der Reisemobilisten während des Aufenthalts in einem Anbaugebiet Wein und jede:r Zweite bringt mindestens eine Flasche mit nach Hause.

Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des CIVD, betont dabei den Beitrag von Reisemobil-Tourismus zur Nachhaltigkeit in Weinregionen. Zum einen könne der CO2-Fußabdruck der Reise reduziert werden, wenn Reisemobil-Touristen mehrere Tage am Weingut verbringen. Zum anderen unterstütze der Reisemobil-Tourismus den Direktverkauf von Wein und trage wesentlich zur Erhaltung der Weinkultur bei. Darüber hinaus unterstütze er auch soziale Aspekte der Nachhaltigkeit, etwa beim bewusstem Umgang mit Alkohol unter dem Motto „Don't drink and drive“. 

Prof. Dr. Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung an der Hochschule Geisenheim und Projektleiter, betonte, dass „sowohl die Produzenten als auch die Touristen große Chancen in der Kombination von Wohnmobil und Weintourismus sehen. Allein die Tatsache, dass 600 Weinbaubetriebe den Fragebogen vollständig ausgefüllt haben, obwohl viele von ihnen keinen Stellplatz anbieten, zeigt das große Interesse der Produzenten. Auf der anderen Seite sind Weinregionen attraktive Reiseziele für Reisemobil-Touristen und bieten somit ein enormes Besucherpotential. Viele Weingüter haben dies bereits erkannt, weitere werden in Zukunft folgen.“

Einen Auszug aus dem Vortag von Prof. Dr. Gergely Szolnoki zu den Studienergebnissen auf der 3. Stellplatztagung am 28. August 2023 in Düsseldorf finden Sie hier.

Bild: Auftaktveranstaltung im Rahmen des Moduls „Projekt Marktforschung“, im Rahmen dessen Studierende des 4. Semesters im SoSe 2023 unter der Leitung von Prof. Dr. Gergely Szolnoki, Christoph Kiefer und Thomas Nitsch vom Caravaning Industrie Verband e. V. Caravaningtourismus in deutschen Anbaugebieten untersuchen © Christoph Kiefer, M.Sc.


Nachhaltiger Weintourismus

Global Wine Tourism Study – Sustainable Wine Tourism

Nachhaltigkeit spielt auch im Weintourismus eine zunehmend große Rolle: Das zeigt die Sustainable Wine Tourism Survey, im Rahmen derer die Hochschule Geisenheim und winetourism.com im November 2021 rund 1.600 Weingüter in über 40 Ländern befragte. Demnach gehen 62 Prozent der Befragten davon aus, dass nachhaltige Weintourismuspraktiken für die Besucherinnen und Besucher schon heute relevant seien. Neben einer effizienteren Energienutzung und langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie streben die Betriebe vielfach auch eine engere Zusammenarbeit mit anderen regionalen Akteuren an. Die Ergebnisse der gesamten Studie stehen zum kostenlosen Download zur Verfügung.


WOW Conference Sustainable Wine Tourism

Über 150 Studierende, Forschende, Vertreterinnen und Vertreter der Weintourismusbranche aus Griechenland, Deutschland, Italien, Portugal, Frankreich, Ungarn und anderen Ländern nahmen im Dezember 2021 an einer zweitägigen Hybridkonferenz zu nachhaltigem Weintourismusan der Hochschule Geisenheim teil. Nationale und internationale Gremien wie die OIV, das DWI, das griechische Tourismusministerium und die Deutsch-Griechische Versammlung hielten Impulsreferate, während Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Ländern, die Auswirkungen von Covid19 auf den Weintourismus, die Digitalisierung des Sektors und innovative Strategien im Mittelpunkt der 14 Vorträge standen.

Die Konferenz war eine Veranstaltung des WOW-Projekts, einer Kooperation zwischen der Hochschule Geisenheim und der University of West Attica über Herausforderungen in der Weinbranche. Ziel des Projekts ist es, eine langfristige Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen im Bereich Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft aufzubauen. Das im Januar 2020 gestartete Projekt wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert. Alle Impulsreferate und Vorträge können Sie in voller Länge nachschauen.


MDPI Sustainability – Special Issue: Sustainable Wine and Beverage Tourism

Ziel der MDPI-Sonderausgabe ist es, zu untersuchen, welche ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte ein nachhaltiges Weintourismus-System ausmachen. Das Zusammenspiel der vielen Elemente des Systems – von den Produzierenden bis zu den Weintouristinnen- und touristen selbst – ist entscheidend für dessen Nachhaltigkeit, und das Konzept kann auf der Ebene des einzelnen Weinguts, der Weinregion oder der Nation als Ganzes bewertet werden. In der Sonderausgabe werden Fachbeiträge gebündelt, die sich mit der gesamten Wertschöpfungskette oder einzelnen Stufen auseinandersetzen. Auch Beiträge, die Fragen der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Tourismusaktivitäten mit Fokus auf andere alkoholischen Getränke (z. B. Bier, Apfelwein, Whisky) behandeln, werden inkludiert.


Öko-Weintourismus

Aktuelle Studien zeigen, dass ökologische Bewirtschaftung und Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnen und die Kaufentscheidung der Konsumenten intensiver beeinflussen. Auch die Tourismusbranche rechnet in der näheren Zukunft damit, dass Nachhaltigkeit im Bereich Tourismus eine wichtigere Rolle spielen wird. Wie können zertifizierte Weingüter Öko-Weintourismus etablieren und damit zu einer nachhaltigen Entwicklung sowie Wertschöpfung für den eigenen Betrieb und die Region beitragen? Mit dieser zentralen Fragestellung startete am 01. Oktober 2023 das BÖL-Projekt „Öko-Weintourismus – Innovative und nachhaltige Vermarktungsstrategie von Öko-Weingütern mit erhöhter Wertschöpfung“, das die Hochschule Geisenheim University in Kooperation mit den national führenden Bioverbänden, Bioland, Demeter, Ecovin und Naturland durchführt.

Das Projektteam an der Hochschule Geisenheim: Prof. Dr. Prof. h.c. Gergely Szolnoki (l.) und M. Sc. David Schäfer

Digitaler Weintourismus

Global Wine Tourism Study – Online Wine Tastings

Wie haben Weingüter weltweit ihre touristischen Angebote während der Corona-Pandemie erweitert oder angepasst? Dieser Frage ging die Anfang 2021 durchgeführte Studie der Hochschule Geisenheim und von winetourism.com nach. 65 Prozent der befragten 1.423 Weingüter aus 42 Ländern haben demnach reguläre Weinproben durch Online-Weinproben ersetzt. Mehr als die Hälfte davon bewertet die Veranstaltungen sogar als profitabel oder sehr profitabel und zieht nicht nur einen Nutzen mit Blick auf die Steigerung der Bekanntheit daraus. Wenig überraschend spielen deshalb 97 Prozent derjenigen, die während der Pandemie Online-Weinproben eingeführt haben, mit dem Gedanken, diese auch Post-Covid anbieten. Die gesamte Studie steht zum kostenlosen Download zur Verfügung.


Kontakt

Gergely Szolnoki
Prof. Dr. Prof. h.c. Gergely Szolnoki
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Tel. +49 6722 502 394
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