Rebalter

Hat das Rebstockalter einen Einfluss auf die Weinqualität?

Das Alter von Weinreben und dessen Bedeutung für die Weinqualität ist bei Fachleuten und Weinliebhabern ein viel diskutiertes Thema. Die Tatsache, dass Rebflächen über mehrere Winzergenerationen gepflegt und bewirtschaftet wurden, ist lobenswert. Alte Reben sind immer noch traubentragend und den Verbrauchern wird suggeriert, dass die von alten Reben resultierenden Weine von besonderer Qualität seien. Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet lassen jedoch noch viele Fragen offen, insbesondere jene nach den physiologischen Prozessen, die für eine höhere Qualität sorgen.

Im Rahmen des Projektes „Alte Reben“ werden auf einer Versuchsfläche der Hochschule Geisenheim, die mit Reben aus unterschiedlichen Pflanzjahren bestockt ist, die physiologischen und generativen Auswirkungen des Rebalters auf Beereninhaltsstoffe sowie Weininhaltsstoffe und Weinsensorik untersucht.

Wo - wenn überhaupt - liegen die Unterschiede im Wein? Dieser Fragestellung wurde im vorliegenden Projekt nachgegangen. Interessiert? Dann einfach weiter nach unten scrollen.

Wie wurde der Versuch durchgeführt?

Für den Versuch steht eine homogene, ausreichend große Versuchsfläche in der Lage Geisenheimer Fuchsberg zur Verfügung, die mit Reben gleichen Klons (Gm 239) und gleicher Unterlage (5C Teleki) bestockt ist. Die Reben haben ein unterschiedliches Rebalter zwischen derzeit 50 Jahren (Pflanzjahr 1971), 26 Jahren (Pflanzjahr 1995) und ein erstmals ab dem Jahr 2014 traubentragendes Jungfeld (Pflanzjahr 2012).

Die Trauben der drei Varianten „junge Reben“, „mittelalte Reben“ und „alte Reben“ wurden am 29.09.2020 händisch gelesen und unter gleichen Bedingungen vinifiziert: Die Trauben wurden direkt gepresst, die Moste per Sedimentation vorgeklärt und im Edelstahltank bei einer mittleren Gärtemperatur von 18-20°C mit Reinzuchthefe vergoren. Der erste Abstich und die Jungweinschwefelung mit 80 mg/L erfolgte Mitte Dezember 2020. Am 26.05.2021 wurden die Weine filtriert und abgefüllt.

Was zeigte der Versuch?

Die Studie ist insofern einzigartig, da sie innerhalb einer Fläche auf gleiches Pflanzmaterial unterschiedlichen Alters zurückgreifen kann, um die Auswirkungen des Rebalters unter vergleichbaren Umweltbedingungen zu untersuchen. Nachdem die jungen Reben (Pflanzjahr 2012) ihr volles Ertragspotenzial erreicht hatten und es keine Unterschiede mehr in der Bodenbewirtschaftung gab, waren die Produktivität, die Beereninhaltsstoffzusammensetzung und die Weinqualität mit den älteren Pflanzjahren vergleichbar. Die Daten der Mostanalyse für den Jahrgang 2020 (Tabelle 1) zeigen, dass keine nennenswerten Unterschiede zwischen den drei Varianten bestehen, entsprechend weist auch die Weinanalyse (Tabelle 2) vergleichbare Werte aus. Ebenfalls von Bedeutung sind Ergebnisse aus dem Vergleich „mittelalten“ und „alten“ Reben, die während des gesamten Projektzeitraumes in fast allen Untersuchungsparametern ähnliches Verhalten zeigten, was dem Konsens widerspricht, dass ältere Weinreben unterschiedliche Weine produzieren. Allerdings wurden zwei Dinge deutlich:

  1. Das Rebalter hatte einen signifikanten Einfluss auf den Wasserhaushalt, wobei junge Reben mit deutlich kleinerem Wurzelsystem trockenstressanfälliger waren. Der Wert einer alten Anlage liegt also gerade im Potenzial einer besseren Anpassungsmöglichkeit an Trockenstressbedingungen, wie sie zukünftig häufiger zu erwarten sind. Bei den untersuchten Reben und der vorhandenen Edelreis/Unterlagenkombination wurde innerhalb der Standzeit und bei der vorhandenen Spaliererziehung keine Ertragsdepression festgestellt. Diese Ertragssicherheit ist ein Verdienst der Züchtung.
  2. Auch wurde untermauert, welchen Einfluss die saisonale Bewirtschaftung, also der Winzer selbst, auf die Reben-Inhaltsstoffinteraktion hat. Der Wechsel in der Kulturführung von offener zu begrünter Bodenbewirtschaftung wirkte sich auf das Wachstum, das Mikroklima sowie die Inhaltsstoffbildung aus. Kann eine Rebfläche über mehrere Generationen homogen bewirtschaftet werden, so gilt die besondere Anerkennung all denjenigen, die es durch ihr weinbauliches und handwerkliches Geschick ermöglicht haben, die Rebanlage gesund und über extreme Jahrgangsunterschiede vital halten.

Es wäre vermessen zu behaupten, dass das komplexe Thema der Weinqualität auf einen Faktor – das Rebalter – herunterzubrechen sei.

Tabelle 1: Mostanalyse der drei Riesling Weine unterschiedlichen Rebalters
  Junge Reben Mittelalte Reben Alte Reben
Mostgewicht 90 °Oe 90 °Oe 91 °Oe
pH - Wert 3,1 3,1 3,1
Gesamtsäure 8,2 g/L 8,4 g/L 8,2 g/L
Weinsäure 4,9 g/L 4,6 g/L 4,1 g/L
Äpfelsäure 2,3 g/L 2,7 g/L 2,9 g/L
flüchtige Säure < 0,2 g/L < 0,2 g/L < 0,2 g/L
Gluconsäure < 0,1 g/L < 0,1 g/L < 0,1 g/L
N-OPA 56 mg/L 52 mg/L 50 mg/L
Tabelle 2: Weinanalysen der drei Riesling Weine unterschiedlichen Rebalters
  Junge Reben Mittelalte Reben Alte Reben
Alkohol 13,1 % vol. 13,2 % vol. 13,3 % vol.
vergärbarer Zucker 0,5 g/L 0,7 g/L 0,8 g/L
Gesamtsäure 6,8 g/L 6,7 g/L 6,5 g/L
pH - Wert 3,0 3,1 3,1
Weinsäure 4 g/L 3,7 g/L 3,5 g/L
Äpfelsäure 0 g/L 0 g/L 0 g/L
Milchsäure 1,4 g/L 1,6 g/L 1,7 g/L
freie SO2 38 mg/L 39 mg/L 31 mg/L
Gesamt SO2 86 mg/L 86 mg/L 103 mg/L
Weitere Informationen

Eine Literaturliste und weiterführende Information können über die Autoren angefragt werden: 

Manfred.stoll(at)hs-gm.de

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Einfluss des Rebalters auf den Wasserstatus

Um den Einfluss des Rebalters auf den Wasserhaushalt zu untersuchen, wurde in den Jahren 2016 und 2017 durch Folienabdeckungen ein Wassermangelstress induziert. Obwohl sich die Gesamtniederschlagsmenge in den beiden Jahren während der Vegetationsperiode wenig unterschied, war die saisonale Niederschlagsverteilung deutlich anders und es herrschte insbesondere im Jahr 2016 eine intensivere Wassermangelstressperiode im Vergleich zum Folgejahr. Dies kam in den Bodenfeuchtigkeitsgehalten zum Ausdruck. Zu allen Terminen war der Bodenwassergehalt der durch Folienabdeckung gestressten Variante signifikant niedriger als in der Kontrolle.

Neben dem Bodenwassergehalt wurden auch physiologische Reaktionen bestimmt. Hierbei zeigten die Ergebnisse der Messungen des frühmorgendlichen Wasserpotenzials in allen Versuchsgliedern negativere Werte bei den gestressten Varianten. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere das Versuchsglied „junge Reben“, das deutlich stärker auf Wassermangelstress reagierte als alle anderen Versuchsglieder. Messungen der stomatären Leitfähigkeit, die als Kenngröße der Regulation der Spaltöffnungsweite dient, zeigten bei allen gestressten Varianten reduzierte Werte im Vergleich zur Kontrolle. Darüber hinaus wurde deutlich, dass bei den jungen Reben im Vergleich zu den anderen beiden älteren Pflanzjahren die stomatäre Leitfähigkeit signifikant reduziert war.

Einfluss des Rebalters Wachstums- und Ertragsparameter

In den Vegetationsperioden 2014 und 2015 hatten die jungen Reben beim Anschnitt noch nicht die gleiche Triebanzahl wie die alten oder alternden Varianten. Dementsprechend ergab sich eine deutlich höhere Porosität der Laubwand im Vergleich zu den Reben der älteren Pflanzjahre. Da die Laubwand der jungen Reben deutlich lockerer aufgebaut war, hatten diese auch einen geringeren Anteil an innenliegenden Blättern bzw. eine höhere Traubenexposition. Erst ab der Vegetationsperiode 2016 herrschten zwischen allen drei Pflanzjahren vergleichbare Bedingungen. Unter Einbeziehung der Jungfeldjahre ergab sich über die vier Vegetationsperioden eine signifikante Wechselwirkung zwischen dem Alter der Reben und der Laubwandporosität. Die laubwandbedingten Unterschiede beeinflussten in Form einer stärkeren Besonnung das Mikroklima und damit in Teilen die Beereninhaltsstoffbildung.

Mit Ausnahme des ersten Untersuchungsjahres gab es zwischen den Versuchsjahren keinerlei Unterschiede in der Beerengrößenverteilung. In der Vegetationsperiode 2017 hatten die jungen Reben kleinere Beeren. Dies war möglicherweise auf die Niederschlagsverteilung und damit auf das höhere Trockenstressrisiko junger Reben gegenüber alternden und alten Reben zurückzuführen.

Verglichen mit den alternden und alten Reben hatten die jungen Reben nur in den ersten beiden Versuchsjahren, als sie noch im Jungfeldstadium waren, einen deutlich geringeren Traubenertrag. Ab dem Versuchsjahr 2016 waren innerhalb der drei Versuchsglieder keine Ertragsunterschiede (Stockertrag) erkennbar.

Einfluss des Rebalters auf Weinausbau und Sensorik

In allen Versuchsjahren fand ein Versuchsweinausbau der Varianten statt. Hierzu wurde ausgehend von der gleichen Traubenmenge der Most jeder der drei Versuchsglieder, die identisch gepresst wurden, mittels Reinzuchthefe vergoren, geschwefelt und ohne jegliche Schönung steril abgefüllt. Diese Weine wurden sowohl analytisch mittels FTIR als auch sensorisch untersucht.

Nur bei den Weinjahrgängen der Jahre 2014 und 2015 waren die Weine der jungen Reben deutlich von denen der alternden und alten Weine getrennt. Ab dem Jahrgang 2016 bestand eine hohe Übereinstimmung innerhalb der Sensorik zwischen allen drei Proben. Hinsichtlich des sensorischen und chemischen Profils konnten keine Unterschiede festgestellt werden.