Erziehungssystem

Das Erziehungssystem – Kraftwerk der Traubenproduktion

Die Laubwand eines Weinbergs kann man getrost als Kraftwerk bezeichnen. Einmal voll entwickelt produzieren die Blätter durch die Photosynthese Kohlenhydrate, fixieren Energie und setzen Sauerstoff frei. Für den Winzer steht die Einlagerung von Zucker in die Trauben im Vordergrund. Wie so oft im Leben spielt die Optimierung des Verhältnisses von In- und Output eine wichtige Rolle. Wenn man sich nun um die Gestaltung der Laubwand und damit dem sogenannten Erziehungssystem der Rebe Gedanken macht, kommt es darauf an, wieviel Energie pro Fläche Laubwand aufgenommen werden kann, um eine bestimmte Menge an Trauben optimal zu versorgen. Dieses Zusammenspiel drückt sich im Blatt-Frucht Verhältnis aus und kann durch den Winzer beeinflusst werden, in dem er die Laubwandarchitektur unterschiedlich gestaltet.

Hat die Laubwandarchitektur einen Einfluss auf die Weinqualität ? – falls ja, sind die Unterschiede im Wein schmeckbar? Dieser Fragestellung wurde im vorliegenden Projekt nachgegangen. Interessiert? Dann einfach weiter nach unten scrollen!

Wie wurde der Versuch durchgeführt?

Die Spätburgunder Trauben entstammen einem Versuchsfeld der Lage Geisenheimer Fuchsberg. Die Rebstöcke wurden im Jahr 1997 gepflanzt und werden in den drei unterschiedlichen Anbauformen Spalier (Guyot), Scott Henry und Lyra Erziehung bewirtschaftet. Der Standraum pro Rebstock beträgt für jede Anbauform 2,4m2, wobei lediglich die Zeilenbreite und der Stockabstand variieren: Spalier (2,0m x 1,2m), Scott-Henry (2,8m x 0,85m) und Lyra (3,4m x 0,7m). Alle weinbaulichen Arbeiten werden für die drei Erziehungsformen identisch durchgeführt.

Die manuelle Lese der vollreifen und gesunden Trauben erfolgte am 15.09.2019. Die Traubenverarbeitung und die Weinbereitung der drei Varianten lief nach einem standardisierten Protokoll ab: die Trauben wurden entrappt, mit 60 mg/kg SO2 versetzt und in Edelstahltanks mit Reinzuchthefe auf der Maische vergoren. Mittels einem automatischen Maische-Tauchpaddelsystem wurde der aufschwimmende Maischehut periodisch untergestoßen. Die Maische wurde nach 13 Tagen abgewirzt und gepresst. Der weitere Weinausbau erfolgte in Edelstahltanks. Am 30.09.2020 wurden die Weine mit Milchsäurebakterien inokuliert und am 17.12.2020 erfolgte die erste Jungweinschwefelung mit 50 mg/L SO2. Am 07.06.2021 erfolgte die Filtration und Abfüllung der Weine.

Was zeigt der Versuch?

Der Flächenertrag lag für die Spaliererziehung bei 7.000 kg/ha, für Scott Henry bei 10.500 kg/ha und für die Lyra Erziehung bei 14.000 kg/ha. Die doppelte Laubwand bei der Lyra Erziehung führte zu einer Verdopplung des Stockertrags im Vergleich zur Spaliererziehung. Der höhere Ertrag der Scott-Henry Erziehung im Vergleich zur Spalier Erziehung ist durch das höhere Anschnittsniveau ersterer Erziehungsform begründet. Die Mostanalyse (Tabelle 1) zeigt, dass die Trauben aus den unterschiedlichen Erziehungssystemen leicht unterschiedliche Mostgewichte und Gesamtsäurewerte aufwiesen. Die Lyra Erziehung zeigte gegenüber den anderen beiden Varianten ein etwas höheres Mostgewicht und einen um 0,5 g/L höheren Gesamtsäurewert. Das höhere Mostgewicht bei gleichzeitig höherem Ertrag für die Lyra Erziehung lässt sich durch die größere Blattoberfläche dieser Anbauform und somit einer potentiell höheren Photosyntheseleistung erklären.

Die Weinanalyse (Tabelle 2) zeigt, dass wenige Gramm Restzucker nach der alkoholischen Gärung verblieben, was möglicherweise auf die hohen Alkoholgehalte zurückzuführen ist. Der Gesamtsäurewert liegt bei dem Wein der Variante „Lyra“ um 0,7 bis 1 g/L höher im Vergleich zu den Variante „Spalier“ und „Scott-Henry“, entsprechend ist der pH-Wert für die Lyra Variante am niedrigsten. Die Untersuchung der Weinfarbe zeigt die höchste Farbintensität bei gleichzeitig höchstem Anteil roten Farbtons für die Lyra Variante.

Tabelle 1: FTIR Mostanalyse der drei Spätburgunder aus unterschiedlichen Erziehungssystemen
  Spalier Scott Henry Lyra
Mostgewicht 102 °Oe 103 °Oe 105 °Oe
pH - Wert 3,4 g/L 3,3 g/L 3,4 g/L
Gesamtsäure 6,5 g/L 6,5 g/L 7 g/L
Weinsäure 2,9 g/L 3 g/L 3,4 g/L
Äpfelsäure 3,4 g/L 3,3 g/L 3,5 g/L
flüchtige Säure < 0,4 g/L < 0,4 g/L < 0,4 g/L
Gluconsäure < 0,1 g/L < 0,1 g/L < 0,1 g/L
Tabelle 2: Weinanalyse der drei Spätburgunder aus unterschiedlichen Erziehungssystemen
  Spalier Scott Henry Lyra
Alkoholgehalt 13,8 % vol. 13,6 % vol. 13,8 % vol.
vergärbarer Zucker 2,3 g/L 2,4 g/L 4,9 g/L
Gesamtsäure 4,3 g/L 4,6 g/L 5,3 g/L
pH - Wert 3,7 3,6 3,5
freie SO2 31 mg/L 32 mg/L 29 mg/L
Gesamt SO2 68 mg/L 68 mg/L 69 mg/L
Farbintensität (Ʃ420,520,620nm) 11,9 12,6 13
Farbton (420nm/520nm) 2,8 2,7 2,3

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Spalier-Erziehung

Die Spaliererziehung kann alternativ auch als Einheits-Erziehung bezeichnet werden und basiert auf den Arbeiten von Jules Guyot. Die Spalier-Erziehung ist die älteste und weltweit am häufigsten verbreitete Anbauform für Weintrauben. Bei diesem vertikalen Erziehungssystem, wird eine senkrechte Laubwand mit mehreren Drähten formiert. Zu Beginn wird ein Rebstamm aufgebaut, der durch unterschiedliche Schnittformen angeschnitten und mit Hilfe verschiedener Biegeformen als Flach-, Halb- oder Pendelbogen niedergezogen wird. Befestigt werden die Triebe auf einem Spanndraht. Beim Halb- und Pendelbogen wird der Trieb über einen zusätzlichen Biegedraht befestigt. Die Vorteile sind die sehr gute maschinelle Bearbeitung, gute Durchlüftung und gute Ertragsstabilität.

Lyra-Erziehung

Die Lyra- Erziehung kann alternativ auch als U-Erziehung oder V-Erziehung bezeichnet werden. Entwickelt wurde diese Anbauform in der 1980er Jahren von Dr. Alain Carbonneau im Montpellier (Südfrankreich). Ihr liegt die Überlegung zugrunde, durch eine größere Blattoberfläche die Sonnenenergie besser auszunutzen und die Photosyntheseleistung damit zu erhöhen. Dies soll positive Auswirkungen auf die Erntequaltität und Aromaintensität der Traube mit sich bringen. Die Probleme der Anbauform sind die eingeschränkte maschinelle Bewirtschaftung, das Verschenken von Anbauraum, durch die große Gassenbreite, das aufwändige Unterstützungssystem und die Termingebundenheit bei Heftarbeiten.

Scott-Henry-Erziehung

Gehört zu den Etagenerziehungssystemen und wurde von dem Winzer Scott Henry aus Oregon entwickelt. Henry hatte in den 1970er Jahren mit sehr starkem Wuchs in seinen Weinbergen zu kämpfen, der ein verstärktes Auftreten von Pilzkrankheiten, Laubwandverdichtungen, geringen Erträgen und geringen Farbintensitäten bei Rotweinen mit sich brachte. Henry erhöhte das Anschnittsniveau von zwei auf vier Fruchtruten und verteilte diese auf zwei Biegestationen. Die Triebe der oberen Station heftete er nach oben und die Triebe der unteren Station nach unten. So entstand eine vertikal geteilte Laubwand. Die Vorteile sind, dass bei starker Wüchsigkeit das Wachstum gebremst wird, höhere Erträge pro laufenden Meter erzielt werden können und eine gute Mechanisierung möglich ist. Nachteilig ist vor allem der erhöhte Arbeitsaufwand bedingt durch das manuelle Teilen der beiden Laubwandstationen.

Die Rebsorte Spätburgunder

...ein Auszug aus dem Farbatlas Rebsorten (Ambrosi et al, 2011; https://planty.hs-gm.de/profile/tree/47)

Historie: Der Blaue Spätburgunder ist nicht nur eine der ältesten Rebsorten weltweit, sondern auch die wichtigste rote Rebsorte Deutschlands. Sie gilt als eine der wertvollsten „cool climate“ Rotweinsorten. Die Herkunft der Rebsorte ist in Forscherkreisen etwas umstritten, aber es steht fest, dass es sich bei einem Elternteil um die Sorte Savagnin Blanc handelt. Als Herkunftsort wird das Gebiet zwischen dem Genfer See und dem Rhônetal angenommen. Eine andere Theorie besagt, dass der Spätburgunder ursprünglich aus dem Niltal stammt und über die Griechen und Römer schließlich ins Burgund gelangt ist. Die erste Erwähnung des Spätburgunders im Burgund liegt im vierten Jahrhundert.

Wie bei allen Burgundersorten, treiben auch beim Spätburgunder sehr viele Doppeltriebe aus, welche manuell entfernt werden sollten. Aufgrund des hohen Alters der Rebsorte und der Mutationsfreudigkeit der Burgunderfamilie gibt es vom Blauen Spätburgunder sehr viele verschiedene Klone mit unterschiedlichen Eigenschaften. Diese kann man in kompakt, lockerbeerig, aufrecht wachsend und klein – bzw. gemischtbeerig gliedern. Eine Besonderheit der aufrecht wachsenden Klone ist, dass so gut wie keine Geiztriebe gebildet werde. Dadurch sind die Laubarbeiten extrem vereinfacht und die Laubwand bleibt schön locker. Mit dem Aufkommen der lockerbeerigen Spätburgunderklone in den 80er Jahren wurde das größte Problem des Spätburgunders, seine Botrytisanfälligkeit, verringert, was ihn im Anbau wesentlich einfacher machte. Jedoch hat zum Beispiel dieser erste „Mariafeldklon“ (M1) sehr große Beeren, was Probleme bei der Farbausbeute des ohnehin schon hellen Spätburgunders vor allem in kühleren und ertragreicheren Jahren bereitete. Aufgrund der hohen Mostgewichtsleistung der Burgunder allgemein mussten in den vergangenen frühreifen Jahren die Spätburgunder meist schon sehr früh geerntet werden, um Marmeladentöne im Wein zu verhindern. Dabei konnten die Säurewerte teilweise noch relativ hoch sein, sodass Korrekturen erforderlich waren. Im Allgemeinen benötigt diese Rebsorte frühe gute Lagen mit tiefgründigen, lehmigen Böden. Ganz besonders gut eignen sich Kalkböden wie man sie zum Beispiel im Burgund oder der Champagne findet. Der Spätburgunder ist verrieselungsanfällig, wodurch die Lagen zusätzlich etwas windgeschützt sein sollten. Die Weine des Blauen Spätburgunders zeichnen sich durch ein feines Aroma nach Kirschen und Bittermandel aus. Sie sind meist gerbstoffarm und können sehr gut in Barriquefässern ausgebaut werden.