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Witality: Eröffnen virtuelle Realitäten neue Vermarktungsräume für Wein?

© Meike Strobach, M.Sc.

Die Wahrnehmung und Beurteilung von Wein hängt maßgeblich von verschiedenen Umwelteinflüssen – Temperatur, Licht, Geräusch- und Geruchskulisse – ab. Kann Virtual Reality (VR) Winzerinnen und Weinhändlern ermöglichen, den Kundinnen und Kunden unabhängig von der realen Umgebung ein bestimmtes Geschmacksbild vom Wein zu vermitteln? Das untersucht das Institut für Oenologie der Hochschule Geisenheim gemeinsam mit dem Institut für Visual Computing der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg im Projekt „Witality – Wine in Virtual Reality“.

Das „Witality“-Projekt ist ein Verbundprojekt aus Wissenschaft und Praxis, dessen Ergebnis ein universelles Werkzeug für die Weinbranche sein soll. Der Einsatz von VR-Technologie soll den Akteurinnen und Akteuren beispielsweise helfen, neue nationale und internationale Marktsegmente und Kundengruppen zu erschließen und insbesondere eine jüngere und technikaffine Klientel anzusprechen. Die Nutzung von virtueller Realität kann Konsumentinnen und Konsumenten ein neues und einzigartiges Einkaufs- und Verkostungserlebnis bescheren – und für die Weinbranche damit ein zukunftsfähiges Instrument zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden.

Das Ende 2020 gestartete Forschungsprojekt „Witality“ besteht aus zwei Teilen: der sensorischen Verkostung ausgewählter Weine und Prüfproben in vier realen Umgebungen und der sensorischen Verkostungen ebenjener Weine und Prüfproben in den entsprechenden virtuellen Umgebungen. Verkostungsorte sind die Vinothek des Weinguts Baron Knyphausen in Eltville am Rhein sowie der Holzfasskeller, eine Bürosituation und das Sensoriklabor im Institut für Oenologie. Das Sensoriklabor dient als standardisierte und neutrale Kontrolle und beschreibt die Situation, in der Weinprofis normalerweise sensorische Prüfproben – Geruchsproben, Geschmacksproben, visuell zu bewertende Proben – sowie Weine beschreiben und bewerten. Diese „Standardumgebung“ wird mit den drei anderen Umgebungen verglichen. Ziel ist es, herauszufinden, ob die unterschiedlichen Umgebungsbedingungen einen Einfluss auf die Bewertung von sensorischen Prüfproben und Wein haben.

Mittlerweile sind die sensorischen Prüfungen in den vier realen Umgebungen fast vollständig abgeschlossen. Die ersten Ergebnisse stützen die These, dass die sehr unterschiedlichen Orte nennenswerte Unterschiede auf die Beurteilung von Prüfproben haben und bei der Beurteilung von Wein eine deutlich differenziertere Betrachtung der ersten Ergebnisse notwendig ist.

Parallel wurden die vier realen Umgebungen als virtuelle 3D-Modelle reproduziert und werden aktuell auf die VR-Technologie übertragen. Die Verkostungsorte sollen möglichst identisch abgebildet werden; die Probandinnen und Probanden können später mittels Head-Mounted-Display (HMD) darin eintauchen. Erste virtuelle sensorische Verkostungen unter Nutzung der Oculus Quest 2 VR-Brille finden im Sommersemester 2022 statt. Im Anschluss soll zusätzlich die Praxistauglichkeit der virtuellen Verkostungen mit der Oculus Quest 2 durch die DLG-TestService GmbH (DLG) und die Pieroth Wein GmbH (PR) getestet werden.

„Witality“ soll im ersten Schritt die Nutzbarkeit der VR-Technologie im Bereich der Sensorik von Weinen grundsätzlich untersuchen. Neben der Optimierung der rein visuellen Darstellung der VR-Welt werden insbesondere die spezifischen Einflussparameter der Umgebung auf die sensorische Wahrnehmung und Interpretation von Prüfproben und Wein zukünftig noch eingehender untersucht werden müssen. Dazu kommt, dass die Entwicklung von VR sehr dynamisch ist. Eine heute verfügbare Technologie wird schnell weiterentwickelt werden und das Eintauchen in eine virtuelle Realität, die sogenannte Immersion, zukünftig besser erlebbar machen. Allein deswegen bieten sich bereits vielseitige Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsprojekte.

Auch der Einsatz in der freien Wirtschaft wird nicht außer Acht gelassen. Die Pieroth Deutschland GmbH mit Kompetenz im Bereich deutsche Weine eruiert als Partner des Projekts Möglichkeiten, wie Kundinnen und Kunden mit der innovativen Technik beispielsweise auf einer Verbrauchermesse einen völlig neuen Zugang zum Wein-Verkosten kennenlernen können.

Kategorien: Wissenschaftlicher Nachwuchs, Oenologie, Nachrichten

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