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Wie sieht der Handel von Premiumweinen in der Zukunft aus?

Hawesko Branchenexperten diskutieren ihre Zukunftsvisionen mit Geisenheimer Studierenden aus den Studiengängen International Wine Business (B.Sc.) und Internationale Weinwirtschaft (B.Sc.).

In der sich rasant ändernden Handelslandschaft hängt der zukünftige Erfolg der deutschen Weinbranche und ihrer Nachwuchskräfte vor allem von der Wertschöpfung und der Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Bedürfnisse ab. Geisenheimer Studierende und Dozenten waren deshalb besonders gespannt, die Vision zweier erfahrener Branchenexperten zum Premiumweinhandel der Zukunft zu hören. Die 300 Plätze im großen Hörsaal der Hochschule Geisenheim waren am 15. Januar 2018 fast restlos belegt, als Bernd G. Siebdrat und Nikolas von Haugwitz, ehemaliges und derzeitiges Vorstandsmitglied bei Hawesko, von ihren Erfahrungen aus dem B2B und B2C Weinhandel berichteten.

Der Mitbegründer von Wein Wolf, Bernd G. Siebdrat, sieht gute Zeiten auf die deutsche Wein- und Lebensmittelbranche zukommen. Seiner Meinung nach gibt es im deutschen Weinmarkt einen Trend zu höherwertigen Lebensmitteln und besserem Wein. Die junge Generation denkt nicht mehr in erster Linie nur an Autos sowie teure Urlaube und spart sich dafür die Ausgaben vom Munde ab. Der Megatrend der Globalisierung und die zunehmende Digitalisierung führen gleichzeitig zu einem Bedürfnis von Sicherheit und Rückbesinnung auf Qualität und Regionalität. Reisen in der Heimat und in die Natur rücken als Gegengewicht stärker in den Fokus der Verbraucher. Damit wird auch die Nachfrage nach deutschem Wein ansteigen. Und dies, obwohl die Gesamtnachfrage nach Wein unter anderem durch den demografischen Wandel und die wachsende Bedeutung von Gesundheit eher zurückgehen wird. Seiner Meinung nach ist das eine gute Nachricht, da sich mehr auf Klasse als auf Masse konzentriert werden muss. Konsumenten werden auf die Qualität mehr Wert legen als auf die Menge.

Premiumwein definiert sich im Großhandel aus der Sicht von Bernd G. Siebdrat durch den Mindestpreis von 5 Euro. Für WeinWolf liegt der im Durchschnitt bei 6,80 Euro. Weine in dieser Preisklasse stehen dann für 10 Euro bis 15 Euro im Regal des Fachhändlers und für 50 Euro auf der Weinkarte der Gastronomie. Die Erfolgsfaktoren für den Verkauf von Premiumwein im B2B Bereich Gastronomie und Fachhandel liegen in der Persönlichkeit und den Führungsqualitäten des Vertriebspersonals. Es stellt, mangels verfügbarer Statistiken, die wichtigste Informationsquelle über Marktentwicklungen und regionale Unterschiede dar. Darüber hinaus kann der Vertrieb durch seine intensiven Beziehungen zu den Abnehmern Probleme schnell erkennen und sie bei der Lösung unterstützen. Restaurantinhaber wollen heute keine Weinvorräte mehr halten und daher mehrmals die Woche, kurzfristig (innerhalb von 24h), in kleinen Bestellmengen mit der besten Weinauswahl der Welt beliefert werden. Da sie sich oft keinen Sommelier leisten können, suchen sie Beratung und Lösungsvorschläge beim Vertriebspartner. Die kurzfristige Verfügbarkeit von Produkten und der dadurch notwendige Lagervorrat sind, neben den für die einzelnen Vertriebskanäle geeigneten Vetrieblern, wichtige Erfolgsfaktoren für einen B2B Premiumweinanbieter. Die Digitalisierung wird an der Bedeutung der persönlichen Beziehungen nichts ändern, nur die Abwicklung des Bestellprozesses wird in Zukunft digitaler und effizienter. Premiumwein ist und bleibt auch in Zukunft ein persönliches Geschäft, das auf Vertrauen beruht, wo Beratung und Information wichtig sind. Die Kenntnis der Kunden, ihrer Zukunftspläne, ihrer Ideen und ihrer strategischen Positionierung sieht Bernd G. Siebdrat als wichtigste Voraussetzung eines Premiumweinanbieters, um die optimale Ausrichtung für die eigene Zukunft zu bestimmen.

Beide Branchenexperten sind sich einig, dass der Onlinehandel im stagnierenden Markt momentan der einzige Absatzkanal mit starkem Wachstum ist, welches derzeit auf rund 10 Prozent pro Jahr geschätzt wird. Wein ist ein Produkt, das sehr gut dafür geeignet ist, nach Hause geliefert zu werden. Sein Gewicht sei nur einer der Gründe. Der Onlinehandel ist nach Aussage von Nikolas von Haugwitz durch grundlegend verschiedene Geschäftsmodelle geprägt. Während ein Teil der Anbieter unter anderem durch eine Börsennotierung die Gewinnerzielung in den Fokus des unternehmerischen Handelns rücken muss, sind andere Anbieter, mit starken Investoren im Hintergrund, darauf aus, ihre Kundenbasis kurzfristig auszubauen, um das Geschäftsmodell dann weiterzuveräußern. Durch die Egalisierung der Kompetenzen im Onlinemarketing und die hohe Informationstransparenz im Onlinehandel ist der Preis zu einem Schwerpunkt im Wettbewerb geworden. Durch ständiges Unterbieten der Preise von Kernprodukten wie Peppoli von Antinori ging hier bereits über 30 Prozent der ursprünglichen Marge verloren, wodurch keiner der anbietenden Onlinehändler mit dem Produkt mehr Geld verdient. Auch Amazon wird weiter im Weinbereich wachsen und zukünftig vermutlich einen hohen Volumenanteil im unteren Preisbereich abdecken.

Für den in Zukunft weiter wachsenden Onlinehandel macht Nikolas von Haugwitz vor allem auf die unbedingte Notwendigkeit der ständigen Akquise von aktiven Neukunden aufmerksam, zu der es keine Alternative gibt, da ständig Kunden verloren gehen. Es muss für den Onlineanbieter das Ziel sein, überall und zu jeder Zeit mental verfügbar zu sein, da eine trinkbare Flasche Wein heute allerorten, selbst an der Tankstelle, verfügbar ist. Deshalb muss der Onlineanbieter auf allen Kanälen kommunizieren und den Käufer an die Bestellmöglichkeit erinnern: als Anzeige in der Zeitschrift, im elektronischen Newsletter auf dem Handy oder Computer, als Katalog im Wohnzimmer und als Briefpost auf dem Schreibtisch. Selbst Messenger-Dienste werden heute zur Werbezwecken genutzt.

Ähnlich wie im B2B Bereich hat sich auch im Endkundengeschäft B2C der Umfang der Bestellungen reduziert, da die Kunden unter anderem durch ständige Lieferbarkeit nicht mehr bereit sind, ein Lager aufzubauen. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.

Im Premiumweinbereich ist es besonders wichtig, den richtigen Preis für das Produkt zu setzen. Bei der Mehrzahl der deutschen Weinkonsumenten gibt es feste Preisgrenzen wie zum Beispiel die 9,99 Euro im Kopf. Werden diese Preisschwellen überschritten, sind die Kunden nicht mehr bereit, das Produkt zu kaufen. Und das, obwohl sie ihm vorher seit 20 Jahren treu waren. Wird der Preis auch nur einen Cent über diese Grenze angehoben, gehen Kunden entweder ganz verloren oder sie suchen Alternativen und das dann oft in einem Preisbereich, der weit unter dem Schwellenpreis liegt. Alle Onlinehändler stehen vor dem Problem, über die 9,99 Euro Grenze zu kommen. Sie müssen klare Strategien verfolgen, wie sie die Position durch Alternativen wie zum Beispiel Eigenmarken anreichern. Onlinehändler werden in Zukunft noch besser in der Lage sein, die Präferenzen ihrer Kunden einzuschätzen und in Kooperation mit den Produzenten maßgeschneiderte Weine für ihre Zielgruppen anzubieten.

Ein erfolgreicher Premiumweinanbieter muss bereit sein, ständig sein Portfolio und seine Kommunikation zu überprüfen und zu verbessern. Promotions werden genutzt, um zu testen, wie Konsumenten beispielsweise auf Produktpreise, Weinetiketten, Präsentationsstile und Ansprache reagieren. Wird mit einer Fotoanzeige mehr verkauft, in der ein Paar zusammen Wein trinkt oder Jugendliche zusammen Spaß haben? Im Onlinebereich sollte alles Messbare ausgewertet werden, um sich an Marktänderungen anzupassen.

Für Absolventinnen und Absolventen der weinwirtschaftlichen Studiengänge bedeutet dies vor allem, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung über den Tellerrand hinausschauen und frühzeitig anfangen müssen, in gemischten Teams mit Experten aus verschiedenen Gebieten zu arbeiten. Hawesko ist mit der Hochschule Geisenheim im Rahmen des Fallstudientages, durch Projekte und eine Vielzahl von Praktika eng verbunden. Den Dialog zu aktuellen Themen in der Weinwirtschaft zu vertiefen und hier die Zukunft zu gestalten, ist ein erklärtes gemeinsames Ziel.

Die Veranstaltung wurde von Manuela Ortner, M.A., und Prof. Dr. Simone Loose für die Studiengänge International Wine Business und Internationale Weinwirtschaft organisiert.

Kategorien: International Wine Business (B.Sc.), Internationale Weinwirtschaft (B.Sc.), Wein- und Getränkewirtschaft, Nachrichten

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