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Verkostung ist Kunst

Das Team im Sensorik Panel (Bildquelle: Winfried Schönbach)

Beim Sensorik Panel unserer Hochschule geht es um mehr als „schmeckt oder schmeckt nicht“

Blumig, Veilchen, Rose und auch Flieder sind nur ein Bruchteil der möglichen wohlduftenden Attribute, die gerade jetzt zum Frühsommer passen würden und die charakteristisch im Wein zu finden sind. Doch es geht auch anders: dunkler, derber und mit weniger Wohlklang und noch weniger Wohlgeruch. Man nehme eine Prise Asphalt, eine Messerspitze Teer, einen Hauch Pferdeschweiß und vermischt es mit schwarzem Pfeffer – nein, dies ist keine Anleitung für ein uraltes Hexenrezept. So oder so ähnlich wird bei der „wahren Verkostung“, der Sensorik, kommuniziert. Denn es sind Duftwahrnehmungen aus unserem alltäglichen Leben, die als Vergleichsbegriffe, den sogenannten Attributen, dienen, den Geruch und Geschmack der Produkte verständlicher und objektiv zu beschreiben. Und auch die Aussage „Jemanden nicht riechen können“ kommt nicht von ungefähr. Denn Duftstoffe spielen -wenn auch häufig unterbewusst- eine entscheidende Rolle in unserem Leben, sei es bei der Partnerwahl in Form von Pheromonen oder als Warnsignal für unseren Körper, etwas extrem unangenehm Riechendes wohl besser nicht zu essen. Im Alltag werden wir ständig mit Gerüchen konfrontiert und beim Einkaufen ist der Geschmack Entscheidungsträger Nummer eins, um ein Produkt ein weiteres Mal zu kaufen. „Es kann oft nur eine winzige Zutat an einem Produkt verändert werden, und schon ändert sich der komplette Geschmack“, erklärt Doris Häge, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Oenologie und Initiatorin des analytischen Sensorik Panels unserer Hochschule.  

Seit vielen Jahren werden in den unterschiedlichen Instituten unserer Hochschule sensorische Prüfungen durchgeführt. Insbesondere im Bereich der Oenologie, Getränkeforschung, aber auch im Obst- und Gemüsebau werden in regelmäßigen Abständen im Rahmen von Forschungs- und Studierendenarbeiten eine Vielzahl sensorischer Prüfungen absolviert. Da die Teilnahme an den verschiedenen Panels in der Vergangenheit oft nicht ausreichend war, kam die Idee auf, ein hochschuleigenes Sensorik Panel zu gründen. Durch die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte seit Februar 2017 ein neues sensorisches Prüferpanel aufgebaut werden. Alle Prüfpersonen verfügen über eine sensorische Grundlagenschulung und sind mit der Durchführung von Unterschiedsprüfungen wie Dreieckstests oder A nicht A-Tests vertraut. Ebenfalls verfügen sie über erste einschlägige Erfahrung in der deskriptiven Analyse sensorischer Prüfproben.

 

Im Interview mit Doris Häge fragen wir nach, was denn im Sensorik Panel genau gemacht wird:

Doris Häge:

Wir führen zum Beispiel im Rahmen von Forschungsprojekten oder Abschlussarbeiten objektive sensorische Prüfungen von Weinen, die unterschiedlich ausgebaut wurden durch. Auch kann der Einfluss unterschiedlicher Weinverschlüsse auf das sensorische Profil der Weine getestet werden. Ebenso, ob verschiedene Transport- und Lagerbedingungen das Produkt beeinflussen. Bei dieser Art der sensorischen Prüfung geht es nicht um die persönliche Präferenz der Prüfer, sondern ausschließlich um eine objektive Charakterisierung der Proben.

Die Zeit zwischen den Projekten wird für die sensorische Schulung der Panellisten genutzt. Dazu gehört neben der Erkennung von Geruchsproben auch das Wahrnehmen geringer Konzentrationsunterschiede in wässrigen Lösungen und das Training der unterschiedlichen sensorischen Prüfmethoden.

Außerdem haben wir im Sensorikraum die Möglichkeit unter verschiedenen Lichteinflüssen zu testen. Farbiges Licht ermöglicht beispielsweise optische Unterschiede zwischen den Proben zu maskieren. Somit kann getestet werden, ob Unterschiede im Geschmack tatsächlich vorhanden sind, oder ob dies nur durch die Farbe des Weins bedingt ist.

 

Sie forschen auch im Bereich Food Pairing, wo es darum geht, Aromen zu identifizieren, die sich gegenseitig am besten ergänzen, und durch ihre Paarung ein harmonisches Ganzes ergeben. Auf was haben Sie sich spezialisiert?

Doris Häge:

Ja, das Thema Food Pairing und Food Completing  ist sehr spannend und komplex und entwickelte sich in der Spitzengastronomie. Der britische Sternekoch Heston Blumenthal sorgte vor einigen Jahren mit seiner bis dato außergewöhnlichen Kombination von Kaviar und weißer Schokolade für Furore.  

Die Theorie des Food Parings besagt, dass je mehr Aromastoffe zwei Lebensmittel miteinander teilen, desto besser harmonieren diese miteinander. Besonders wenn diese auch die Schlüsselaromen des Lebensmittels darstellen. Um es mit den Worten von Frau Brugger (2017) wiederzugeben „Ein erfolgreiches Food Pairing zeigt sich, wenn das (sensorische) Erlebnis der Aromakombination größer ist als die Summe der Einzelkomponenten, also einen synergistischen Effekt hat“.

Die Theorie des Food Completings steht dem gegenüber: Lebensmittel, passen gut zusammen, wenn sie sich in ihrem Aromaprofil gegenseitig ergänzen, also sogenannte „Duftlücken“ auffüllen.

Allerdings sind dabei Geschmack, Textur, Temperatur und Garzustand des Lebensmittels nicht zu vernachlässigen. Die Food Pairing und Food Completing Theorie versucht eine wissenschaftliche Erklärung dafür zu finden, warum bestimmte Speisen gut miteinander kombiniert werden können und andere nicht.

 

Was haben die Verbraucher davon:

Doris Häge:

Für den Verbraucher ergibt sich dadurch eine spannende Symbiose und neue Geschmackserlebnisse durch die Kombination von Lebensmitteln, die sie bis dato vielleicht als nicht kombinierbar angesehen haben. Der moderne Verbraucher ist immer wieder auf der Suche nach neuen kulinarischen Eindrücken, die mit Hilfe der Food Pairing und Food Completing Theorie geschaffen werden können. Dazu liefert sie noch ein wissenschaftliches Verständnis bzw. eine Erklärung für das Warum? dahinter. Weiterhin besteht durch den Einsatz des Food Pairing und Food Completings die Möglichkeit Zucker- oder Salzgehalte in Lebensmitteln zu reduzieren oder Bitterstoffe zu maskieren, ohne dabei Einbußen im Geschmackseindruck hinnehmen zu müssen. 

 

Was fasziniert Sie am meisten an der Welt der Aromen?

Doris Häge:

Der Mensch kann sehr viele Geruchsstoffe wahrnehmen, aber nur einige benennen. Außerdem ist die Geruchswahrnehmung stark mit Emotionen verbunden und beinhaltet viel Lebensqualität. Wie bedeutsam der Geruchssinn für den Menschen ist, wird vielen erst bewusst wenn sie ihn krankheitsbedingt verloren haben. Auch reagieren Menschen unterschiedlich sensitiv auf Gerüche. Ein schönes Beispiel sind die typischen Aromakomponenten, die sich in einem fruchtig ausgebauten Sauvignon Blanc Wein finden. Während ein Teil diese Aromatik als angenehme Noten von Cassis und tropischer Frucht beschreiben, drehen sich andere ab, da sie den Geruch als Buchsbaum oder gar Katzenurin charakterisieren. Also wir sehen: jedes Individuum empfindet anders und das sollte uns bei der Arbeit im Bereich Sensorik immer bewusst sein.

Auch finde ich es spannend, dass zum Beispiel der Geruch des Kaffees nicht aus einer Aromakomponente alleine entsteht, sondern dass sich das typische Aroma erst durch das Zusammenspiel zahlreicher Komponenten bildet. Genauso komplex ist die Aromabildung beim Wein. Hier gibt es so viele Einflussfaktoren – vom Weinberg bis hin zum Keller. Es gibt nicht viele klare „wenn dann“ Regeln. Auch nicht bei der Kombination mit Speisen. Jedoch versuchen wir über den Food Pairing Ansatz eine wissenschaftliche Erklärung dafür zu finden warum ein bestimmter Wein mit einer bestimmten Speise harmoniert und dafür mit einem anderen Lebensmittel nicht.

Das Interview führte Tina Kissinger.

Quellen: Brugger C (2017): Food Pairing & Sensorik  - Grenzenlose Faszination? Hintergrund und Ansätze in der Produktentwicklung, DLG Expertenwissen 6/2017; DLG e.V. Fachzentrum Lebensmittel, Frankfurt am Main, Vierich T. u. Vilgis T. (2015):  Aroma – die Kunst des Würzens, 3. Auflage, Stiftung Warentest, Berlin

 

 

Zahlen, Daten, Fakten zum Sensorik Panel

  • Gründung: Februar 2017
  • Das Sensorikteam: Doris Häge, Prof. Dr. Mirjam Hey, Dr. Bianca May, Christoph Schüßler, Sabine Rasim und Prof. Dr. Rainer Jung
  • Rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen - je nach Verfügbarkeit-  langfristig und verbindlich am Sensorik Panel teil.
  • Voraussetzung für die Mitarbeit im analytischen Panel der Hochschule Geisenheim und damit an den sensorischen Prüfungen bzw. Übungsstunden ist die Teilnahme an vier Schulungsterminen und ein erfolgreiches Bestehen einer sensorischen Abschlussprüfung. Geschult werden „Die Sinne des Menschen“ und „Sensorische Prüfverfahren am Bespiel Wein, Frucht- u. Gemüsesäfte“.
  • Verkostungstermin ist in der Regel freitags von 11.00 bis 12.00 Uhr in den hochschuleigenen Sensorikräumen.
  • Produkte aus den unterschiedlichen Instituten werden verkostet.
  • Wer Lust und Interesse hat ebenfalls teilzunehmen, kann sich gerne bei Doris Häge unter der Telefon-Nummer: 06722 – 502 188 oder doris.haege@hs-gm.de melden.

 

Schon G-wusst?

  • Der Mensch kann mit seiner Nase zwischen 4.000 und 10.000 verschiedene Aromen wahrnehmen, aber nur wenige konkret benennen.
  • Der Mensch verfügt über ca. 350 Geruchsrezeptoren. Beim Hund sind es ca. 900 Geruchsrezeptoren.
  • Bei einigen Menschen funktionieren bestimmte Rezeptoren nicht, daher können 25 Prozent der Menschen den Duft von Maiglöckchen nicht riechen
  • Die Wahrnehmung von Gerüchen ist konzentrationsabhängig: so riecht Skatol in höheren Konzentrationen nach Kot, dafür aber in niedrigeren Konzentrationen sehr angenehm blumig.
  • Der Geruchssinn ist beim Menschen zwischen dem 30 und 40. Lebensjahr am besten ausgeprägt.

 

 

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