Institut für Landschaftsbau und Vegetationstechnik

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Vegetation auf der Kanalinsel Jersey

Mediterrane Vegetation in den öffentlich zugänglichen „Waterfront Gardens“, St. Helier © Prof. Dr. Stephan Roth-Kleyer

Ausbringungsverbot für Carpobrotus edulis (Hottentot fig)

Jersey (49°13'N, 2°12'W) in der Bucht von Saint-Malo, rund 25 Kilometer vor der französischen Küste im Ärmelkanal gelegen, ist mit aktuell zirka 106.800 Einwohnern und 119,6 Quadratkilometer Fläche die größte und zugleich bevölkerungsreichste Kanalinsel. Von den britischen Kanalinseln hat Jersey die meisten Sonnenstunden. Das Klima ist ganzjährig mild. Durch den Golfstrom beeinflusst beträgt die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur 21 Grad Celsius. Im Mittel gibt es 1.882 Sonnenstunden pro Jahr. Die Wintermonate sind mild, nahezu frostfrei und gelegentlich durch starke Niederschläge gekennzeichnet, die gelegentlich mit Wirbelstürmen einhergehen. Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 11,3 Grad Celsius.

Aufgrund des milden Klimas ist die Vegetation der Kanalinsel durch eine Mischung aus mediterraner Vegetation – beispielsweise Schmucklilien (Agapanthus), Palmen (Arecaceae oder Palmae), Palmlilien (Yucca), Lavendel (Lavandula angustifolia), Drachenbäumen (Dracaena), Kamelien (Camellia japonica) – und der Vegetation gemäßigterer Breiten gekennzeichnet. Im Naturschutzgebiet Le Noir Pré an der Westküste wachsen unter anderem zahlreiche Orchideen, zum Beispiel Lockerblütiges Knabenkraut (Anacamptis laxiflora), Kleines Knabenkraut (Anacamptis morio), Pyramiden-Hundswurz bzw. Spitzorchidee (Anacamptis pyramidalis), Übersehenes Knabenkraut (Dactylorhiza praetermissa).

Rund 52 Prozent der Insel werden landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzt, etwa 24 Prozent sind bebaut, wobei vor allem in den kleineren Orten die Häuser oft mit Gärten oder Parkanlagen umgeben sind. Gut 18 Prozent der Inselfläche weisen einen weitgehend natürlichen Vegetationsbestand auf: beispielsweise Mischwälder, Dünen oder Felsenküsten.

Der Klimawandel, die globale Erderwärmung hat auch Jersey erreicht. Das betrifft sowohl die Wassertemperatur des Ärmelkanals als auch die Temperaturen und Niederschlagsereignisse auf der Insel selbst. Direkte Auswirkungen auf Fauna und Flora sind erkennbar. Das soll hier an nur einem von vielen möglichen Beispielen deutlich werden: Die Essbare Mittagsblume, auch Hottentottenfeige oder Hexenfinger genannt (Carpobrotus edulis, engl.: Hottentot fig), war bis 2000 mit nur wenigen Exemplaren – wenn, dann in der Hauptsache in Hausgärten – auf Jersey vertreten. Seit 2000 hat die Verbreitung insbesondere an der Süd- und Westküste sehr stark zugenommen. Damit einhergehend werden heimische Arten zunehmend verdrängt.

Carpobrotus edulis, ursprünglich aus Südafrika stammend, hat von dort aus in Ländern rund um das Mittelmeer Verbreitung gefunden. In Jersey werden von den Pflanzen in den letzten Jahrzehnten insbesondere Dünen- und Felsenküstenbereiche der Süd- und Westküste teppichartig überwachsen. Die essbaren, an Feigen erinnernden Früchte, bilden hunderte von Samen aus, die von Tieren über große Entfernungen verbreitet werden. Die Essbare Mittagsblume breitet sich zudem mittels Ausläufer vegetativ im Jahr im Mittel um etwa 40 Zentimeter radial aus. Dabei bildet sie meist dichte, undurchdringliche „Matten“. Sie laugt die Böden aus.

Das Zurückdrängen von Carpobrotus edulis an den teilweise sehr steilen Küstenklippen Jerseys ist schwierig und kann Erosion zur Folge haben. So verdrängt Carpobrotus edulis weiterhin die ursprüngliche heimische Vegetation großflächig und nachhaltig. Diese Kenntnis führte zur Gründung lokaler Initiativen in Jersey, die organisiert an sogenannten „Hottentot fig-bashing days“ Carpobrotus edulis mechanisch zurückdrängen.

Der Britische Gesetzgeber reagierte bereits 1981 auf die Verbreitung invasiver Arten durch Verabschiedung des „Wildlife and Countryside Act 1981“. Hier wird unter anderem das Ausbringen invasiver Tier- und Pflanzenarten geregelt, die mit ihrer Ausbreitung Lebensräume, Arten oder Ökosysteme beeinträchtigen und daher der biologischen Vielfalt schaden können. In der aktuellen Fassung findet sich in „Schedule 9, Part 2“ seit 2005 auch der sukkulente Bodendecker Carpobrotus edulis.

Es wäre interessant zu wissen, ob Carpobrotus edulis für ingenieurbiologisch-vegetationstechnische Zwecke ähnlich positive Eigenschaften wie Quecke (Elymus repens, vorher Agropyron repens) für die Stabilisierung und Festlegung von Böden – Schutz vor Deflation und Erosion, Anlage von kurzfristig nutzbaren Landebahnen und weiteres – bietet.

Nicht nur aus dem Blickwinkel der Vegetationstechnik ist Jersey auch aufgrund der großen Artenvielfalt und der Breite der Vegetationsformen in den unterschiedlichen Lebensräumen eine Reise wert.

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Stephan Roth-Kleyer

Kategorien: Landschaftsarchitektur (M.Sc.), Landschaftsarchitektur (B.Eng.), Landschaftsbau und Vegetationstechnik, Nachrichten

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Carpobrotus edulis (Essbare Mittagsblume, engl. Hottentot fig) an den Steilküsten von St. Brelade, Corbière, im Südwesten Jerseys © Prof. Dr. Stephan Roth-Kleyer