Als der Corona-Lockdown im März Australien traf, war die Weinlese dort erst zu rund zwei Dritteln abgeschlossen. Wie der Betrieb trotz strengster Vorkehrungen aufrechterhalten werden konnte und was die australischen Weinbaubetriebe daraus gelernt haben, das diskutierte Markus Herderich, Group Manager Research vom Australian Wine Research Institute, im Rahmen eines rund zweistündigen Web-Seminars Ende August 2020 mit Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, Präsident der Hochschule Geisenheim, und Prof. Dr. Monika Christmann, Leiterin des Instituts für Oenologie an der Hochschule im Rheingau.
Australien hatte frühzeitig die Ankunftszeiten der Mitarbeitenden aus verschiedenen Schichten gestaffelt und Temperaturkontrollen bei Dienstantritt eingeführt. Erntehelferinnen und -helfer durften nicht – wie auch in Deutschland sonst üblich – von einem Betrieb zum nächsten ziehen. Alle Informationen seien zentral koordiniert und alle Betriebe weitergeleitet worden.
Wesentliche Fragen seien die nach der Reinigung gewesen; wie ist diese ohne Chlor möglich? Und greifen Reinigungsmittel Gummi und Dichtungen an? In Australien seien keine Fälle bekannt geworden, wo der Erreger SARS-CoV-2 über Schläuche oder Pressgläser übertragen worden sei. Eine klassische Oberflächenreinigung sei angeraten, ebenso wie das Neutralisieren mit Natronlauge, sagte Herderich.
„Eine strikte Trennung der Produktionsetappen war bei uns eine wesentliche Maßnahme“, erläuterte der Wissenschaftler weiter. Werkzeuge sollten nicht zwischen verschiedenen Mitarbeitenden weitergegeben werden, Produktion und Transport seien ebenso komplett voneinander separiert worden. Eine Trennung, die, wie Christmann allerdings einwarf, in deutschen Betrieben, die in der Regel kleiner seien als jene in Australien, schwieriger durchzuführen seien. Hier sei es gegebenenfalls nötig, sich mit Nachbarbetrieben Fahrer zu teilen, die darüber hinaus keine weiteren Aufträge annehmen dürften; immer mit dem Ziel, die Kontaktverfolgung im Verdachtsfalls möglichst einfach durchführen zu können.
Zentrale Richtlinien sollten dennoch auch die deutschen Weinbaubetriebe befolgen, empfahl Herderich: die klare Trennung von Gastronomie und Produktion sowie von Tourismus und Produktion. Eine wichtige Stellschraube sah er auch in der Bezahlung von Saisonarbeitskräften. Wer nach Stunden bezahlt würde, der weise eine höhere Übertragungsrate auf als diejenigen Personen, die ein festes Gehalt bezögen. Denn, wer nach Stunden bezahlt wird, für den sind Tests und (freiwillige) Quarantänezeiten mit wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Zuletzt, aber umso nachdrücklicher, verwies Herderich auch auf das Thema der mentalen Gesundheit. Strenge Maßnahmen mit strikten Trennungen und starken Einschränkungen seien auch für die Psyche belastend. Er sieht hier die Arbeitgeber in der Fürsorgepflicht.
Alle Informationen, Richtlinien, Regularien und Empfehlungen, die in bereits im Frühjahr 2020 im Australischen Herbst erarbeitet wurden, stehen online zur Verfügung: https://www.awri.com.au/industry_support/winemaking_resources/covid-19/ Herderich ist überzeugt, dass diese Regelungen auch noch in der kommenden Lesezeit gelten werden. Denn „eine 2. Welle ist kein kleiner Tanz, sie kann zur richtigen Flutwelle werden“, so der Wissenschaftler des AWRI.